Rede zu DS 18/3633 – Die Freiheit der Kunst und Kultur verantwortungsbewusst wiederherstellen – Berlin als Raum für Kunst und Kultur öffnen

Rede in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses zu Drucksache 18/3633 am 06.05.2021

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Als ich sah, dass die FDP heute in ihrer Priorität fordert, der Senat möge in Berlin den Kulturbetrieb in vier Wochen wieder ermöglichen, dachte ich nur: Was für ein wohlfeiler Schaufensterantrag. Vielleicht etwas schlampig zusammengestoppelt, aber harmlos. Schließlich haben wir das quer durch alle Fraktionen wieder und wieder diskutiert, getreu dem Motto: Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von der FDP beantragt.

Der Deutsche Bundestag, sämtliche Parlamente, auch wir hier im Berliner Abgeordnetenhaus, Kommunal- und Bezirkspolitiker und -politikerinnen arbeiten daran, den uneingeschränkten Zugang zu Kultur und Kunst so schnell wie es geht wieder möglich zu machen. Natürlich bin auch ich extrem frustriert, dass es nicht schneller geht. Ja, ich gebe Ihnen ausdrücklich recht, die Investitionen und Vorkehrungen in den Infektionsschutz in den meisten Kultureinrichtungen sind vorbildlich. Auch ich habe keine Angst, mich im Kino anzustecken. Ich kann es auch nicht abwarten, dass drinnen und draußen wieder Kultur stattfindet.

Aber wenn ich mir den Antrag genau anschaue, dann muss ich an zwei Stellen doch vehement widersprechen. Der Antrag ist schlampig, ja fahrlässig formuliert, und er lenkt von der globalen Herausforderung durch Covid-19 ab. Die Freiheit der Kunst und Kultur muss nicht wiederhergestellt werden, die ist in Berlin nicht in Gefahr. Freiheit ist in Berlin Teil unserer DNA. Es sind freie Kultur, Kreativität und Kunst, die Berlin zu der Metropole machen, die sie ist.

Die Freiheit der Kultur ist also ungefährdet, aber unsere Gesellschaft ist im Selbstverteidigungsmodus. Der Kampf gegen das Virus ist gesellschaftliche Notwehr, Selbstverteidigung, um so schnell wie möglich wieder alle Bewegungsfreiheiten zu ermöglichen. Wir kämpfen diesen Kampf doch explizit, damit die Kultur wieder das alleinige gesellschaftsbestimmende Element wird, und nicht die Angst vor Krankheit, Leiden oder Tod. Auch hier greift Ihr Antrag viel zu kurz. Es geht nicht darum, den Menschen wieder Unterhaltung zu ermöglichen. Kultur ist kein Freizeitspaß. Kultur ist für die Gesellschaft das, was die Seele für den Menschen ist.

Wenn ich etwas beantragen würde, dann, dass alle, die seit über einem Jahr ihre Gesundheit, ihr Leben riskieren, um diesen Kampf für uns alle zu gewinnen, als Erste ins Kino, ins Theater, ins Konzert und in die Clubs können.

Ich weiß, dass die Künstler und Künstlerinnen in unserer Stadt das ganz genauso sehen. Es geht darum, dass auch die Pfleger und Pflegerinnen, Polizisten und Polizistinnen, Kassierer und Kassiererinnen, die Ärzte und Ärztinnen, die Busfahrer und -fahrerinnen ihr Privatleben zurückbekommen und dass diese Pandemie uns erkennen lässt, was wirklich systemrelevant für unsere Gesellschaft ist. Als Künstler und Kulturpolitiker weiß ich, dass Kultur systemrelevant ist. Aber im Moment sind die Ersthelfer und Ersthelferinnen gefragt. Wenn unsere Gesellschaft von der Intensivstation zurückkommt, dann kümmern sich die Künstlerinnen und Künstler wieder um die seelische Gesundheit. Das ist nur noch eine Frage von Wochen.

Also, liebe FDP, warum machen Sie bis dahin nicht etwas Sinnvolles, irgendetwas, was noch keine andere Fraktion in dieser Legislaturperiode gemacht hat? Beantragen Sie doch eine schnellere Rückkehr des Frühlings.


Auszug aus Plenarprotokoll 18/78, S. 9194 f.

Die Rede als Video bei rbb Im Parlament:

https://www.rbb-online.de/imparlament/berlin/2021/6–mai-2021/6-mai-2021—78–Sitzung-des-Berliner-Abgeordnetenhauses/notker-schweikhardt–buendnis-90-die-gruenen—-top52.html

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