Rede: Ein/e Graffiti-Beauftragte/r für Berlin?

Rede im Abgeordnetenhaus zum Antrag 17/2351 „Raum für Kunst – Berlin bekommt eine/n Graffiti-Beauftragte/n“ der Piratenfraktion mit Hinweisen auf die historische Relevanz von Graffitis und Street Art sowie ihrer Relevanz für der Berliner Tourismus und der Frage, ob eine Graffiti-Beauftragte oder ein Graffiti-Beauftragter tatsächlich sinnvoll wäre für Berlin.

Video (rbb): https://www.youtube.com/watch?v=JppJRNSmqig


 

Sehr geehrte Damen und Herren! Kollegin Harant, Kollege Magalski!

Ich gebe Ihnen natürlich recht: Graffiti ist eine der ältesten Kulturtechniken, die wir kennen. Tatsächlich existieren heute noch Pieces, die mehr als 40.000 Jahre alt sind und schon lange von der UNESCO in das Weltkulturerbe aufgenommen wurden. Mittlerweile müssen diese Zeichnungen allerdings vor uns Menschen geschützt werden. Die Atemluft der Touristen beschädigt die Bilder unwiederbringlich. Gut, dass in Berlin die meisten Werke nicht in Höhlen hängen!

Was aber ist hier vor Ort Kunst, und was kann weg? Verkehrsbetriebe und Eigentümerverbände in Deutschland beklagen jedes Jahr Sachschäden in hundertfacher Millionenhöhe. Ein echter Banksy auf der Hauswand aber verdoppelt den Wert einer Immobilie. Graffiti ist künstlerisch, politisch und kommerziell zugleich. Auf der ganzen Welt stehen vor Museen und Botschaften bemalte Elemente der Berliner Mauer; Symbole für Widerstand, Einheit und Freiheit. Visitberlin wirbt mit dem lobalen Bekanntheitsgrad der Berliner Sprayer, und ganze Wirtschaftszweige sind entstanden mit Street-Art-Touren für Touristen, Graffiti-Workshops für gestresste Manager oder bunt bemalten Mauerstückchen aus Berlin, der selbst ernannten Hauptstadt der Urban Art. Städtische Wohnungsbaugesellschaften engagieren Künstlerinnen und Künstler, um ihre grauen Betonklötze aufzuhübschen, und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis ein paar nicht ganz so gesetzestreue Mitbürgerinnen und Mitbürger die Sicherheitsvorkehrungen für etwas Fame austricksen und sich der Fassade des BND annehmen.

Graffiti sind weithin sichtbar und doch vergänglich. Sie bewegen sich zwischen Religion und Werbung, zwischen Kommerz und Kunst, zwischen Vandalismus und Kultur, zwischen Schönheit und Illegalität. Ich habe aber ziemliche Zweifel, ob eine Graffitibeauftragte, ein Graffitibeauftragter all diese Konflikte lösen kann. Trotzdem danke ich den Piraten ausdrücklich für diesen Aufschlag, denn es ist richtig und wichtig, dass wir uns in diesem Haus ausführlich und intensiv mit dieser für Berlin so prägenden Kulturform beschäftigen. Auch wenn Sie die Linke und die Grünen ausgeladen haben: Ich freue mich auf gute Diskussionen mit spannenden Gästen, zunächst im Kulturausschuss, und empfehle bis dahin, möglichst viele sommerliche Ortstermine mit Chillen und Grillen auf den Wiesen und zu Füßen der schönsten Wände der Stadt.

– Vielen Dank und einen tollen Sommer!

Auszug aus dem Plenarprotokoll 17/067, Seite 6923

Link Plenarprotokoll: http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/PlenarPr/p17-067-wp.pdf

Link Antrag: http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/DruckSachen/d17-2351.pdf

 

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