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Rede zur Beschlussempfehlung: Gesetz zum Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland

Rede in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses zur Beschlussempfehlung “Gesetz zum Staatsvertrag zur Modernisierung der
Medienordnung in Deutschland” – DS 18/2928 am 03.09.2020

Video der Rede: rbb – Im Parlament

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren hier den Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland. Spätestens nach diesem doch eher spröden Titel vermissen die ersten Kollegen im Saal unsere alte Prä-CovidBestuhlung. Da konnte man nämlich noch nett mit dem Nachbarn tuscheln. Was bleibt uns heute? – Der einsame Griff zum Handy, zum Tablet, zum Laptop. Genau darum geht es.

Ohne dass es uns bewusst wird, unterwerfen wir uns dabei permanent der Macht globaler Plattformen, der Macht gigantischer Meinungsmanipulatoren. Breaking News, Fake-News, Hate-News, alternative Fakten, Scripted Reality, Dokufiktion – von den Nachrichten bis zur Unterhaltung bestimmen mittlerweile Algorithmen, Bots und Trollarmeen, was wir sehen.

Die Technik ist so gut geworden, dass jeder und jede sein bzw. ihr ganz eigenes digitales Programm empfängt. Schlichtere Gemüter merken dabei nicht einmal, dass sie in ihrer ganz persönlichen Blase sitzen, in der ihnen die Bildschirme nur das zeigen, was sie hören und sehen wollen. Im harmlosen Fall verführen diese Bilder zu überflüssigem Konsum. Im schlimmsten Fall werden aus labilen Menschen Attentäterinnen und Attentäter. Die Manipulation von Wahlen liegt irgendwo dazwischen.

Genau deshalb bin ich meinen Kolleginnen und Kollegen von der Linken auch sehr dankbar, dass sie das Thema zur Priorität gemacht haben; es hat nämlich höchste Priorität. Wenn es internationalen Konzernen gelingt, unsere Gehirne zu manipulieren, dann ist es fast schon egal, dass sie sich um unsere Steuer, unser Arbeitsrecht und unsere Sozialgesetzgebung drücken.

Es gibt in Deutschland keinen Staatsfunk oder eine gleichgeschaltete Presse. Die eigentliche Bedrohung kommt von außen, und wir holen sie uns freiwillig ins Haus. Vom Smart Speaker über das Smart-TV bis zum Smart Home, sie alle sammeln ständig Informationen. Sie lernen uns dabei so gut kennen, dass sie genau wissen, wann wir nach Hause kommen, welche Musik wir hören, welche Filme wir mögen, wann wir ins Bett gehen und mit wem. Privatsphäre stört da, genauso wie Vielfalt, unser Pluralismus, unsere Diversität. Das sind Störfaktoren in den Geschäftsmodellen der Techfirmen – Geschäftsmodelle, die zu den profitabelsten der Welt gehören.

Spätestens seit den TTIP-Verhandlungen ist klar, dass große amerikanische Medienkonzerne kein Interesse daran haben, vielfältige, kleinteilige Medienlandschaften in Europa zu schützen. Unabhängige Sender, freie Radios, Tausende inhaberbetriebe Kinos: alles ganz schwer zu dominieren, kaum zu kontrollieren und noch schwerer zu manipulieren. Das ist sowohl den Blockbuster produzierenden Studios als auch den endlos Serien aneinanderreihenden Plattformen ein Dorn im Auge. Aber Europa findet das gut.

Europa ist die Summe vielfältiger, eigenständiger und unterschiedlicher Kulturen. Unsere individuellen kulturellen Identitäten machen uns als Europa stark, und unsere diversen Medien machen uns resilient. Unsere Kreativität lässt sich von Pluralität inspirieren. Rivalität basiert auf Respekt. Weil wir vorurteilsfrei voneinander lernen und mutig miteinander gestalten, haben wir eine europäische Gesellschaft geschaffen. Unsere ausgewogene, kritische Presse hilft, Konflikte und Herausforderungen auch ohne Waffen zu meistern. So sichern wir nachhaltig Europas Zukunft als kulturellem Sehnsuchtsort.

Die Verzweifelten und Verfolgten dieser Welt setzen ihr Leben aufs Spiel, um nach Europa zu kommen. Und solange Kriege toben, Seuchen wüten, Felder verdorren und Journalistinnen und Journalisten vergiftet werden, nehmen wir Menschen mit offenen Armen auf. Das ist es, worum es bei Europa geht.

Dabei lassen wir uns von keiner Macht ausbeuten oder manipulieren. Wir wehren uns gegen Monopole und fordern von Konzernen, die hier Geld verdienen, dass sie sich an Regeln halten – an unsere Regeln. Ja, wir regulieren sie, und genau das macht der Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung. Dafür brauchen wir ihn, und dafür stimmt meine Fraktion im engen Schulterschluss mit allen Kolleginnen und Kollegen, die sich für ein starkes Europa, für Freiheit, Meinungsvielfalt und Selbstbestimmung einsetzen. – Vielen Dank!


Auszug aus Plenarprotokoll 18/62, S. 7478

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