Stellungnahme zur Debatte um die Novellierung des rbb-Staatsvertrages

Eine Verschiebung der Novellierung des RBB-Staatsvertrages begrüßen wir als Bündnis 90/Die Grünen, obwohl sie weder von uns intendiert noch veranlasst wurde.

Es handelt sich alleinig um eine Entscheidung der Staatskanzlei in Brandenburg und der Senatskanzlei in Berlin. Wie auch wir der Pressemitteilung vom 15.04.2021 entnehmen mussten, soll erst mit Beginn der nächsten Berliner Legislatur eine tragfähige Novellierung erarbeitet werden.

Unserer Auffassung nach hätte die Novellierung unter Auslassung des § 4 auch jetzt erfolgen können, aber offensichtlich war es der sowohl in Berlin wie Brandenburg SPD-geführten Senats-, wie Staatskanzlei zu wichtig, um alleinig vertagt zu werden.

Wir begrüßen eine Reform des Auftrages ausdrücklich, bestehen aber darauf,

  • dass keine der sieben bestehenden Hörfunkwellen „abgewickelt“ wird,
  • dass alle Gebührenzahler*innen sämtliche Sender ohne zusätzliche Kosten empfangen können,
  • dass alle sieben Hörfunksender kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Auf gar keinen Fall werden wir Novellierungen zustimmen, welche zur Folge haben könnten,

  • dass statt eines linearen, vollwertigen Sendeangebotes nur noch digitale Module, Programmteile produziert werden, welche die Zuhörer:innen entweder selbst oder über Aggregatoren zu einem Programm zusammen stellen müssen,
  • dass selbige, digitalen Angebote alleine auf die Bedürfnisse kommerzieller Plattformen zugeschnitten werden und so gebührenfinanziert Content für privatwirtschaftliche Großkonzerne generiert wird,
  • dass die Konzentration der bisherigen Hörfunksender auf die lokalen und regionalen Zuhörer*innen und deren Grundversorgung mit einem „Vollprogramm“ gefährdet wird.

Natürlich sehen wir bei den Reichweiten und Übertragungswegen durchaus Entwicklungs-, aber auf keinen Fall sofortigen Wechselbedarf. Alle Programme sind digital zu empfangen, aber noch werden zu 82 – 97 % analoge und nur zu 3 – 18 % digitale Übertragungswege genutzt.

Um bei den beiden in der Presseerklärung erwähnten Beispielen zu bleiben (siehe Anlage unten):

Radio Eins ist stabil und digital sehr erfolgreich, mit einer Gesamttagesreichweite von 349.000, davon 81,7% analog (285.000) und 18,3% digital (64.000). Hervorzuheben ist die starke Entwicklung im Digitalbereich, alleine in den letzten beiden Jahren um 60%, ohne gleichzeitig insgesamt Zuhörer:innen zu verlieren.

Radio Fritz hingegen verliert langfristig, was auch der digitale Zuwachs nicht ausgleichen kann. Die Tagesreichweite liegt kumuliert bei nur 216.000 Zuhörer*innen, davon 88,4% analog (191.000) und nur 11,6% digital (25.000). Dabei ist das Programm laut Sender schon zu fast 100% auf digital zugeschnitten. Trotzdem verliert Radio Fritz kontinuierlich Reichweite, seit 2013 um etwa 20%.

Was soll also hier die angestrebte Flexibilisierung bringen? Radio Eins ist auch so erfolgreich, die „Digitalisierungsstrategie“ bei Radio Fritz scheitert. Zielführender ist es die Sender inhaltlich zu evaluieren und zeitgemäß weiterzuentwickeln.

Bezogen auf das Rätsel, warum die SPD trotzdem auf einer Flexibilisierung beharrt, muss sie sich die Frage gefallen lassen, ob es nicht doch um einen gezielten Stellenabbau, weg von einer klassischen Redaktion – hin zu einer rein digitalen Produktionseinheit mit Fokus auf Spotify, YouTube & Co. handelt?

  • Die jetzt angekündigte Verschiebung der Novellierung birgt die Chance, über LGBTIQ* und Menschen mit Behinderungen hinaus, weitere gesellschaftliche Gruppen im zukünftigen Rundfunkrat einzubinden. Da die nächste Wahl zum Rundfunkrat ohnehin erst in einigen Jahren stattfindet entsteht durch die Verschiebung kein Schaden.
  • Die inklusivere Vertretung der Freien Mitarbeiter:innen, etwa über den Personalrat des RBB, sehen wir ausgesprochen positiv und bedauern umso mehr, als dass die Senatskanzlei und die Staatskanzlei durch ihren mit den Parlamenten nicht abgestimmten Abbruch der Verhandlungen die Chancen der Freien auf eine dichtere Anbindung an den RBB um Jahre verzögert. Hier hätten wir eindeutig mehr erwartet.

Für Rückfragen, O-Töne etc. stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Sie erreichen mich unter notker.schweikhardt@gruene-fraktion.berlin

Beste Grüße, Notker Schweikhardt


Anlage (PDF):

Pressemitteilung der Senatskanzlei:

https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1075535.php

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