Rede zum Antrag: Ehrenamtskarte des Berliner Senats

Rede in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses Berlin am 12.03.2015 zum Antrag 17/2129 Ehrenamtskarte des Berliner Senats der SPD- und der CDU-Fraktion mit der Forderung nach Ausweitung und Überarbeitung der Ehrenamtskarte

Die Rede als Video: https://www.youtube.com/watch?v=lYoZn8WzILE


 

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Bürgerschaftliches Engagement ist das Gegenteil von Egoismus. Der freiwillige, selbstlose Einsatz Einzelner zeichnet uns als Gesellschaft aus. Er ist im wahrsten Sinn des Wortes unbezahlbar, im Gegenteil: Er bereichert uns.

In Berlin engagiert sich etwa jeder Dritte. Das sind Jugendliche, die selbstmordgefährdeten Gleichaltrigen beistehen, und Rentner, die Kindern vorlesen. Ganze Familien stehen als Volunteers an den Marathonstrecken, und Polizisten spielen in ihrer Freizeit mit Flüchtlingen Fußball. Die Tafeln füttern Hungrige. Die freiwilligen Feuerwehrleute und Sanitäter retten, bergen und schützen. Ehrenamtliche ersetzen Pflegekräfte, Lehrerinnen, Ärzte und Therapeuten. Freiwillige helfen denen, die sich ausgegrenzt fühlen oder die noch gar nicht in unserer Gesellschaft angekommen sind, gerade dann, wenn sich der Staat als unflexibel und vermeintlich unmenschlich zeigt. Sie haben ein offenes Ohr für die, denen sonst niemanden mehr zuhört. Sie setzen sich aber auch dafür ein, unsere Gesellschaft kreativ weiterzuentwickeln, mit Kunst und Kultur, Landschaftspflege oder Bildungsinitiativen, im Sport. Sie erhalten Traditionen und schaffen Neues. Damit leisten sie alle einen wesentlichen Beitrag für eine lebenswertere Welt.

Die Gesellschaft also braucht Ehrenamtliche. Aber fragen wir uns auch intensiv genug, was Ehrenamtliche vom Staat brauchen? Der Staat, das sind wir alle. Gerade wir hier in diesem Parlament stehen für diesen Staat, für alle. Auch wir haben alle als Ehrenamtliche angefangen, getrieben von dem Wunsch, die Welt ein bisschen besser, ein bisschen gerechter zu machen. Und genau deshalb bin ich überzeugt davon, dass ich für alle hier im Saal spreche, wenn ich den Ehrenamtlichen unseren tief empfundenen Dank, unseren ernst gemeinten Respekt ausspreche.

Was nun den Antrag der Koalition betrifft, so begrüßt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Intention, versucht er doch, dem Respekt, dem Dank gegenüber den Ehrenamtlichen Ausdruck zu verleihen. Die bisher vom Senat für diesen Zweck geschaffene Ehrenamtskarte hat weitgehend versagt. Da gebe ich der Kollegin Radziwill von der SPD völlig recht.

Inhaltlich gesehen ist der Antrag jedoch entschieden zu schwach. Er bleibt noch weit hinter den Handlungsempfehlungen der Evaluation durch den Senat zurück und wird der Dimension der Herausforderung nicht im Mindesten gerecht. Es reicht nicht, die schon vor einem Jahr von der Staatssekretärin Dunger-Löper gemachten Vorschläge zu wiederholen, Brandenburg einzubinden und die Privatwirtschaft um Hilfe zu bitten. Wenn wir die Ehrenamtskarte wirklich stärken wollen, dann müssen wir auch schauen, wieso die kommerziellen Karten erfolgreicher sind. Und wenn Mobilität das Hauptproblem für viele Freiwillige darstellt, dann müssen wir da auch noch mal ran. Ehrenamt wird nicht bezahlt. Es darf aber auch nicht vom Einkommen abhängen.

Was wollen wir denn erreichen? – Wir wollen doch den ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern die Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen, die ihr Engagement verdient. Und gleichzeitig wollen wir sie in ihrer Arbeit unterstützen und fördern.

Ich will ein aktuelles Beispiel nennen: Vor wenigen Wochen eskalierte der Konflikt um den Karneval der Kulturen. Die gut 100 Gruppen mit ihren 5 000 Künstlerinnen und Künstlern waren so enttäuscht vom Verhalten des Senats, dass sie ganz konkrete Forderungen für ihr weiteres ehrenamtliches Engagement gestellt haben. Dabei zeigte sich, an allererster Stelle stand der Wunsch nach Anerkennung und Wertschätzung auf Augenhöhe.

Wenn aber pro 300 Ehrenämtler nur eine Ehrenamtskarte zur Verfügung steht, die dann mangels Attraktivität von der Hälfte der Leute dankend abgelehnt wird, und wenn auch nur jede 10 000. Fahrt mit der BVG erstattet wird, dann reichen kosmetische Korrekturen nicht mehr aus.

Soll also angesichts der Tatsache, dass immer mehr staatliche Aufgaben über bürgerschaftliches Engagement erfüllt werden, nicht der Eindruck bleiben, Berlin wälze einen großen Teil der Daseinsvorsorge auf unbezahlte Kräfte ab, dann muss der Senat hier nachbessern. Das muss uns das Ehrenamt wert sein, zumal hier ohne große Kosten wirkungsvolle Maßnahmen möglich sind.

Im Ausschuss wurde es schon oft thematisiert, es braucht endlich eine grundsätzliche Reform der Anerkennungskultur in Berlin. Wenn Sie Ihr Engagement ernst meinen, dann nehmen Sie die Engagierten ernst. Lassen Sie uns gemeinsam noch einmal grundsätzlich neu durchstarten und zusammen mit den Ehrenamtlichen nach attraktiven Lösungen suchen, die unserer Dankbarkeit und Wertschätzung für ihre Arbeit gerecht werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Textauszug aus dem Plenarprotokoll 17/061, Seite 6264

Link zum Plenarprotokoll: http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/PlenarPr/p17-061-wp.pdf#page=39

Link zum Antrag 17/2129: http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/DruckSachen/d17-2129.pdf

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