Rede zur Beschlussempfehlung: “Ehrenamtskarte des Berliner Senats”

Rede im Abgeordnetenhaus zur Priorität der Fraktionen der SPD und der CDU zum Antrag 17/2129 und Beschlussempfehlung 17/2230 „Ehrenamtskarte des Berliner Senats“ in der Plenarsitzung vom 07.05.2015.

Video: https://www.youtube.com/watch?v=KygbVeGYgHk


 

Sehr geehrter Herr Präsident!  Sehr geehrte Damen und Herren!

Die Fraktionen der SPD und der CDU haben heute die Ehrenamtskarte zu ihrer Priorität erklärt. Das ist in der Tat eine bemerkenswerte Aufwertung, denn bisher war die Berliner Ehrenamtskarte alles andere, aber keine Priorität   der   Regierungskoalition.   Seit   vielen   Jahren, zuletzt der Regierende Bürgermeister in der heutigen Aktuellen Stunde, versichern uns SPD und CDU, wie wichtig ihnen bürgerschaftliches Engagement ist, welche unverzichtbare Rolle Ehrenamtliche für unsere Gesellschaft ausfüllen und wie sehr sie diese Arbeit schätzen.  Da bin ich fast schon froh, dass sie es nicht unter Wowereit zur Chefsache gebracht hat, sonst wäre die Karte wahrscheinlich doppelt so teuer und würde im nächsten Jahrzehnt eingeführt.

Herr Regierender Bürgermeister! Danke sagen allein reicht nicht. Was hat sich denn in den letzten Monaten getan? –  Nichts!  Gar nichts!  Gut, im zuständigen Fachausschuss wurde jetzt einvernehmlich beschlossen, einen Beirat zu bilden, der eine Neuauflage der Ehrenamtskarte entwickeln soll, aber bereits seit Jahren liegt die Evaluation des Senats vor. Dort wird die mangelnde Attraktivität der Ehrenamtskarte festgestellt und der Rückgang der Nachfrage damit begründet, dass das Angebot der Karte nicht den Bedarf und die Interessen der Menschen trifft. Gerade einmal ein Viertel Prozent der Ehrenamtlichen haben aktuell eine Ehrenamtskarte, eine Karte auf 400 Ehrenamtliche. In Berlin sind das für über 1 Million Ehrenamtliche zweieinhalbtausend Karten. Das ist keine Wertschätzung, das ist peinlich.

Es wird endlich Zeit, dass sich der Senat genauso stark für die Ehrenamtlichen engagiert, wie die Ehrenamtlichen sich für uns engagieren, denn machen wir uns nichts vor: Ohne die Arbeit der Ehrenamtlichen wäre unser Sozialsystem unsozial, unser Bildungssystem noch ungerechter und die Nachwuchsarbeit im Sport komplett zusammengebrochen.  Ohne Volontärs gibt es keinen Marathon, und wir brauchen auch jeden unserer 1.350 Schülerlotsen.

In Zukunft wird bürgerschaftliches Engagement noch viel wichtiger. Wer reagiert denn als Erstes auf die steigenden Flüchtlingszahlen? – Die Berlinerinnen und Berliner, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren. Oder nehmen wir als Beispiel das Theater im Palais. Dort werden Ehrenamtliche ausgebildet, um den Zugang zu Kultur auch in Zeiten des demografischen Wandels barrierefrei sicherzustellen.

Aber wir dürfen die Ehrenamtlichen auch nicht ausnutzen. Weil die Ressourcen der Berliner Berufsfeuerwehr nicht in angemessenem Umfang angepasst werden, steigt die Belastung der Freiwilligen Feuerwehren besorgniserregend an. Das erklärte jüngst die Berliner Feuerwehr.  Wenn angesichts der Tatsache, dass immer mehr staatliche Aufgaben über bürgerschaftliches Engagement geleistet werden, nicht der Eindruck hängenbleiben soll, Berlin wälze einen großen Teil der Daseinsvorsorge auf Ehrenamtliche ab, dann muss der Senat jetzt dringend handeln.

Uns Grünen ist klar, dass unsere Gesellschaft Ehrenamtliche braucht.  Deshalb fragen wir auch, was Ehrenamtliche vom Staat brauchen. Wenn Sie vorletzte Woche die Berliner Freiwilligenbörse besucht haben, werden Sie auch dort aus Gesprächen erfahren haben, welche Unterstützung dringend nötig ist, wo Netzwerke gestärkt und Freiwillige legitimiert werden müssen. Und ja, der meistgenannte Wunsch ist nach wie vor eine Entlastung bei den Fahrtkosten. Dafür gibt es Best-Practice-Beispiele. In München etwa bezahlen Ehrenamtliche für eine Monatskarte 24,60 Euro.

Die Bedürfnisse ernstzunehmend und auch in eine attraktive Ehrenamtskarte umzusetzen, ist unsere vordringlichste Aufgabe. Wir Grünen haben sehr konkrete eigene Vorstellungen eingebracht, um die Ehrenamtskarte endlich zu einem Erfolgsmodell werden zu lassen, Ehrenamtskarten, die auf die Interessen der engagierten Bürgerinnen und Bürger gezielter zugeschnitten sind, eine Berücksichtigung aller Träger und Projekte, die mit Ehrenamtlichen arbeiten, und eine Sichtbarmachung unserer Wertschätzung des bürgerschaftlichen Engagements durch repräsentativere Veranstaltungen des Landes Berlin. Warum nicht den Bundespräsidenten zum Beispiel nehmen und ein Fest von Ehrenamtlichen für Ehrenamtliche ausrichten?

Es gibt viele gute Ideen, und wir alle haben uns vorgenommen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und grundsätzlich neu durchzustarten. Lassen Sie uns zusammen mit den Ehrenamtlichen nach attraktiven Lösungen suchen! Ringen Sie sich durch zu einer grundsätzlichen Reform der Anerkennungskultur in Berlin! Wenn unser gemeinsamer Beirat seine Arbeit aufgenommen hat und es erste Fortschritte zu vermelden gibt, dann sollten wir uns wieder hier treffen und darüber reden.  Jetzt aber müssen wir erst einmal daran arbeiten, dass noch in dieser Legislaturperiode jeder Ehrenamtliche Lust auf eine neue Ehrenamtskarte bekommt. Das ist unsere Priorität.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Textauszug aus dem Plenarprotokoll 17/064, Seite 17/6566

Link Plenarprotokoll: http://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/protokoll/plen17-064-pp.pdf

Link Antrag: http://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/d17-2129.pdf

Link Beschlussempfehlung: http://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/vorgang/d17-2230.pdf

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